Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker

Die Anhänger von Verschwörungstheorien haben in den etablierten Parteien kein Zuhause mehr und sammeln sich nun in den außerparlamentarischen Bewegungen wie Pegida und der von ihr okkupierten Partei, der AfD. Dort können Sie Erklärungen für die verängstigenden Probleme in der Gesellschaft und am besten auch gleich Schuldige finden. Dies gilt gleichermaßen für echte Probleme wie sozialen Abstieg und Terrorismus, wie für diffuse Ängste wie für Überfremdung und globaler Verschwörung.

Komplexe Fragen gehören eher zu dem, was Angst macht. Die Ursachen von wachsender Ungleichheit und die regional ganz unterschiedlichen Auswirkungen der Klimaveränderungen lassen sich einfacher mit einer Verschwörung erklären. Doch die etablierten Parteien mit Ausnahme der Seehofer-CSU scheuen inzwischen vor einfachen Stammtischparolen zurück und liefern differenzierte Positionen, von denen sich mancher Wähler eher überfordert fühlt.

So haben es diejenigen, die hinter komplexen Problemen einfache Wahrheiten suchen, am liebsten jemanden Schuldigen, in unseren aufgeklärten Zeit meist recht schwer. Die Verschwörung einer Gruppe zum Eigeninteresse und zum Schaden der übrigen ist ein beliebtes Motiv und wer lange genug sucht, findet hierfür auch immer etwas an Beweisen. Nicht verwunderlich, da Eigeninteressen nun mal das menschliche Handeln bestimmen und Menschen mit gleichen Interessen und evt. noch gleicher Herkunft sich auch gegenseitig helfen.

Dies können dann interessierte Kreise mit gegensätzlichen politischen und/oder wirtschaftlichen Interessen nutzen, um gegen diese zu hetzen. So funktionierte es schon seit mindestens 2.000 Jahren, wenn Besatzer gegen Minderheiten aufwiegelten, um ihre Macht zu sichern. Die Kreuzzügler plünderten und vergewaltigten auf ihrem Weg Ungläubige und das sog. jüdische Kapital war nicht nur zur Zeit der Faschisten an so gut wie jedem Unheil schuld.

Auch heutzutage gibt es Menschen, die Sicherheit in einfachen Wahrheiten suchen und von komplexen Problemen und unbequemen Lösungen sich verunsichern und verängstigen lassen. Diese sind leichte Beute aller Extremisten und Lobbyisten. Sie können die Schuldigen an Ungerechtigkeit und wachsender Ungleichheit präsentieren.  Damals sind die Juden, nun die Muslime oder gar so unbestimmbar „Flüchtlinge“ schuld. Für die Extremisten auf der anderen Seite ist es spiegelgleich. Brandsätze und Bomben werden pauschal gegen alle Fremden, Andersläubigen oder einfach gegen solche mit einem (un)bestimmten Aussehen gezündet, wie wie derzeit dem wie auch immer definierten nordafrikanischen.

Die geistigen Brandstifter haben dann ihr Ziel erreicht. Die Schuldigen und der Ausweg sind benannt, die Gemeinschaft im Glauben verbunden. Solange der Kampf anhält, ist deren Macht gesichert. Erst nach dem Ende des Kampfes, wenn Zerstörung und Not als einziges Ergebnis sichtbar werden, wächst auch die Erkenntnis, dass die Leidenden auf beiden Seiten mehr verbindet als trennt. Sie haben nur den Macht- und Wirtschaftsinteressen weniger gedient und deren Religion und Herkunft spielt bei keine Rolle.

Eine der komplexesten geseschaftlichen Bedrohung ist die Auswirkung der Veränderung der Luftzusammensetzung auf die klimatischen Bedingungen. Diese führt u.a. zu Wetterextremen, wie längeren Trockenperioden oder Extremniederschlägen. Zusätzliche klimawirksame Gase, wie Kohlendioxid aus fossilen Brennstoffen, Methan aus der wachsenden Nutztierhaltung und Lachgas aus bestimmten Anbaumethoden sind wissenschaftlich nachgewiesen hierfür ursächlich.

Ebenso überprüfbar sind die Auswirkungen auf Landwirtschaft, Wohnen und Gewerbe mit Missernten, Zerstörungen durch Überschwemmungen und Wirbelstürme. Diese sind wiederum mit ein Grund für Fluchtursachen und kriegerische Auseinandersetzungen um verbliebene Ressourcen. Vor dieser mittelbare Fluchtursache durch klimatische Veränderungen haben viele Organsiationen schon seit über einem Jahrzehnt gewarnt.

Nachdem die weltweite Klimaforschung mit den wissenschaftlichen Dokumentationen zu den beiden letzten Weltklimaberichten in großer Einmütigkeit Ursachen und Wirkungen belgte konnte Ende 2015 erstmals ein weltweites Klimabkommen vereinbart werden. Spätestens seitdem sind die Zeiten für Klimaskeptiker in den etablierten politischen Parteien endgültig vorbei. Vor allem in der Union und der FDP gab es lange Zeit Grupperungen, die immer wieder Gehör fanden, wenn es auch der jeweiligen Parteiführung meist peinlich war.

Nun haben deren Mitglieder offenbar in der AfD eine neue Plattform gefunden. Dem Mitbegründer Björn Höcke war dieser Zulauf ebenfalls unangenehm. Doch nach seinem Auscheiden aus der Partei,  konnten sich die Klimaskeptiker im Entwurf für das bundesweite Programm kräftig austoben. Altbekannte und banale Scheinargumente finden sich dort: „Kohlendioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.“ und natürlich auch typische Verschwörungsbehauptungen, wie die „Unterschlagung der positiven Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung“ durch den UN-Klimarat IPCC und der Bundesregierung.

Angesichts dessen, dass auch viele andere Stoffe wie Kochsalz und Wasser lebensnotwenig sind, aber niemand eingepökelt werden oder ertrinken möchte, eine lächerliche Argumentation, die darin gipfelt, dass die AfD-Klimatologen als programmatisches Ziel der Partei angeben, mit dieser Ungerechtigkeit aufzuräumen: „Das Stigmatisieren des CO2 als Schadstoff werden wir beenden.“ Dies ist ein Kennzeichen von Populismus und aller Verschwörungstheorien: Sie scheinen so schön logisch in ihrer Einfachkeit und halten keiner näherenund vor allem keiner wissenschaftlichen Betrachtung stand.

Dies soll nur ein Beispiel sein, wie bei der Frage des Klimawandels lange widerlegte Argumente von Klimaskeptikern nun bei der AfD eine neue Heimat finden. Alle Vertreter der Energiewende, an vorderster Stelle Grüne, sind natürlich verhasst und die Medien, die ihrer Argumentation nicht folgen, sind die „Lügenpresse“. Der Klimawandel wiederum ist ein Beispiel für einfache Wahrheiten und Verschwörungstheorien in der AfD. Es geistern weitaus abstrusere durch diese Bewegung. Eine große Gefahr besteht darin, von den wahren Problemen abgelenkt zu werden, Zeit und Energie in Auseinandersetzungen zu vergeuden.

Doch es führt in einer Demokratie kein Weg daran vorbei, immer wieder die Menschen auch über schwer begreifbare komplexe Zusammenhänge aufzuklären und darauf zu setzen, dass auf lange Sicht differenzierte Betrachtungen den populistischen überlegen sind. Die unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels sind für uns recht überschaubar, doch die mittelbaren, aufgrund von Dürreperioden oder Überschwemmungen werden wir zunehmend durch Fluchtbewegungen erfahren. Weiter diese Menschen als Wirtschaftsflüchtlinge zu diffamieren ist nicht nur unsozial inhuman, sondern angesichts von Millionen deutscher Wirtschaftsflüchlingen nach Missernten in den letzten 200 Jahren auch historisch unglaubwürdig. Mal schauen, ob irgendwann die AfD-Spitze ihre Wählern darüber aufklärt.

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