Leider ist es ja die Regel, dass Bürgerinitiativen, die sich mit regionalen Windkraft-projekten beschäftigen, sehr pauschal und emotional argumentieren. Dies ist sicherlich hinsichtlich der persönlichen Betroffenheit verständlich. Doch letztlich können gesellschaftliche Entscheidungen immer nur in einem Abwägungsprozess getroffen werden.
Im Falle der Energieerzeugung sind das Fragen wie: Ist eine zentrale (Großkraftwerke) oder dezentrale Erzeugung wünschenswert? Welcher Energiemix liefert ausreichend sichere und bezahlbare Energie? Wie hoch sind dabei die gesellschaftlichen Gesamtkosten für die jeweilige Energieerzeugung ? Welche Energieerzeugungart erzeugt die geringsten ökologische Belastungen?
Bei Infrastrukturmaßnahmen, wie Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten, Straßen, Einkaufsmärkte, Energieerzeugungsanlagen usw. hat die jeweilige Regionalversammlung diese Abwägungen vorzunehmen, damit sich nicht einzelne Regionen auf Kosten der anderen entwickeln und Lasten möglichst gleichmäßig verteilt werden.
Im Falle der Energiewende ist dies eine Mammutaufgabe. Da sich die Großkraftwerke vor allem an Rhein, Elbe und deren Nebenflüsse konzentrieren, sind die meisten Menschen von deren Auswirkungen bei der Stromerzeugung verschont: Belastungen mit Feinstaub, Quecksilber, Strahlung, Kleinklimaveränderungen durch Dampf, warmes Abwasser usw. Auch der Abbau von Braun- und Steinkohle konzentriert sich auf wenige Regionen und die sozialen und ökologischen Auswirkungen des importiertem Erdgases und Erdöls, der Steinkohle und des Urans sind vielen gar unbekannt.
Durch eine Dezentralisierung rückt mit PV-Anlagen auf Dächern, Raps- und Maisanbau, Wasser-, aber vor allem Windkraftanlagen die Stromerzeugung näher an viele Menschen heran. Dazu fließen die Gewinne aus den Anlagen nicht mehr in recht unbekannte Kanäle, sondern es verdienen oftmals Kommunen und kommunale Unternehmen, Genossenschaften und private Investoren aus der Region an diesen Anlagen. Diejenigen , die also für Umweltauswirkungen verantwortlich sind, bleiben nicht anonym, sondern sind meist persönlich bekannt.
Dadurch wiederum geraten die Entscheider in diesen Gremien oft unter einen besonderen öffentlichen Druck. Hochachtung vor all jenen, die dennoch aufgrund von Fakten entscheiden. Aktuell ruft in unserer mittelhessischen Region die BI Windkraft Wetter auf, die Mitglieder des Ausschuss für Energie, Umwelt, ländlichen Raum und Infrastruktur in der Regionalversammlung Mittelhessen per Musterschreiben zu bearbeiten und veröffentlicht dazu eine Adressliste der Ausschussmitglieder.
Sich selbst sieht diese BI ja als kritischen und konstruktiven Begleiter der Planung von Windenergieanlagen. Doch der oft agressive Tenor der Aussagen und die Verkennung von Fakten sprechen eine andere Sprache. Ein befürwortenwertes Projekt wurde bisher nicht benannt und ein Abwägen von Nutzen und Belastungen auch über die Region hinaus wird abgelehnt.
So auch in diesem Fall: Fälschlicherweise wird dem Ausschuss eine Entscheidungskompetenz zugespochen und dies, als ob durch deren Votum Baugenehmigungen erteilt würden. Das Gremium wird aber nur eine Empfehlung zu Konzentrationsflächen abgeben, die die grundsätzlich im Baurecht bestehende Bebaubarkeit im Außenbereich einschränkt.
Es folgen in deren Aufruf emotionaliserende Thesen, wie „Denkmalschutz ist kein Hinderungsgrund – so schlimm wird es schon nicht.“ Und weiter „Der politische Wille der Stadtverordneten in Wetter ist ebenfalls nicht entscheidend. Parlamentarier vor Ort sind oft gegen Windkraft, daher trifft die höhere Ebene eben eine Abwägungsentscheidung. Frei nach dem Motto: irgendwo müssen die Anlagen ja stehen.“ Ja, richtig, über die Regionalplanung entscheidet die Regionalversammlung nach Vorgaben der Landesplanung, in die nationale, bis hin zu EU-weiten und globalen Nachhaltigkeitsziele einfließen und nicht die Stadtverordnetenversammlung von Wetter.
Und schließlich wird verkündet, dass das Windgutachten der Stadt rundweg angezweifelt wird, weil ihm der amtliche Segen des Fraunhofer Instituts fehlt. Nun, das ist kein amtliches, aber ein wissenschaftliches Siegel. Es gibt auch Windgutachten von Projektierern mit denen sie ihre Investitionen absichern. Diese mögen im Vergleich insofern die kritischsten sein, aber vermutlich auch keine, die den Segen der BI finden. Im Gegenteil, sie vermuten bei deren Windgutachten geschönte Zahlen, um Projekte durchzusetzen und damit auch den Mutwillen, wörtlich Millionen in den Wind zu schreiben.
Deren Fazit ist, dass es in der regionalversammlungauf eine rein politische Entscheidung hinauslaufen würde. Ja, das ist bei einem politischen Gremium, also demokratisch für eine abwägende Entscheidung gewählten Vertretern der Bürger so. Aber was von der BI gemeint ist, schreiben sie auch gleich hinzu, denn „politisch“ wird mit „willkürlich“ gleichgesetzt. Die ist einerseits ein merkwürdiges Dermokratieverständnis, andererseits eine Umkehrung der Fakten: Wenn nicht nach der beschriebenen Sachlage abgewogen wird, sondern nur nach dem, was eine bestimmte Gruppe Menschen will, dann wäre es willkürlich.
Ich hoffe, dass aufgrund von Fakten entschieden wird und in der Regionalplanung weder willkürlich Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen durchgesetzt noch abgelehnt werden. Es gibt hierfür gute Beispiele, erfreulich einvernehmliche Entscheidungen für WKA im Ostkreis und auch ganz im westlichen Hinterland werden Projekte regionaler Investoren recht geräuschlos umgesetzt.
Auch die Stadtwerke Marburg zeigen in ihrem aktuellen Servicemagazin sachlich nüchtern auf, warum sie unverändert hinter der regionalen Energiewende auch mit Windkraft stehen.