Behauptungen zur Windkraft – Wertverlust von Wohneigentum

Behauptung

Niemand will Häuser in der Nähe von Windparks kaufen. Daher kann man nicht wegziehen, selbst wenn man möchte.
Das Rechercheteam Europaeische-Energiewende-Community veröffentlichte am 4.12.2020 zu dieser Behauptung seine Rechercheergebnisse zu dieser Behauptung von Windkraftgegnern auf der Webseite energiewende.eu.

Diskussion

Studie des RWI

Als Begründung für das o.g. Argument wird oft eine einzige Studie angeführt, die 2,8 Millionen Verkaufsangebote von Wohnhäuser statistisch auswertete. (1) Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen dem Angebotspreis und dem Abstand zur nächsten Windenergieanlage besteht: Von einem um 0% geringeren Angebotspreis bei einem Abstand von 8-9 km bis zu einem maximal 7% geringeren Angebotspreis bei einem Abstand von 0-1 km zur nächsten Anlage. Interessant ist hierbei mehreres:

Die Autoren benutzen Angebotspreise für ihre Studie, nicht die tatsächlichen Verkaufspreise. Das bedeutet, dass sie davon ausgehen, dass Verkäufer ihre Häuser schon direkt günstiger anbieten, wenn sie in der Nähe eines Windrades stehen. Diese Annahme ist allerdings höchst fragwürdig, denn sie impliziert, dass Verkäufer bzw. Makler die Existenz eines Windrades als allgemein anerkannten Nachteil betrachten – was es unnötig machen würde, dieser Frage überhaupt mit statistischen Mitteln nachzugehen.

Die Autoren benutzen eine mehrdimensionale lineare Regression, um die Punktwolke der Datenbasis zu approximieren, d.h. sie versuchen eine Ebene in den mehrdimensionalen Datenraum zu legen, die einen möglichst geringen Abstand zu jedem Datenpunkt hat.(2) Die Dimensionen bzw. Einflussfaktoren sind hierbei der Abstand zur nächsten Windenergieanlage, der Abstand vom Stadtzentrum, vorhandene Infrastruktur, Anzahl und Alter der Bewohner, Art und Alter des Hauses, Milieu, … Das offensichtlichste Problem hierbei sind die massiv variierenden Preise zwischen 20.000€ und 2.000.000€, dem sie versuchen dadurch zu begegnen, dass sie den Preis logarithmieren. Es ist aber klar, dass die oben genannten möglichen Faktoren durchaus nicht zwangsläufig einen linearen Einfluss auf den logarithmierten Angebotspreis haben – dass also eine Ebene in der Wolke der Datenpunkte immer einen großen Abstand zu den allermeisten Punkten hat und daher zur Beschreibung von Zusammenhängen schlecht geeignet ist. Die Güte (mathematisch das „Bestimmtheitsmaß“) einer solchen Approximation lässt sich berechnen und sollte üblicherweise nahe 0,9 liegen (ein Maß von 1 bedeutet dass alle Punkte auf der Ebene liegen und sie die Daten perfekt beschreibt, und ein Maß von 0 bedeutet, dass die Lage der Ebene vollkommen beliebig ist und sie keinerlei Aussagekraft hat). (3) In der vorliegenden Studie beträgt es 0,711, was man grob so formulieren kann, dass eine 71-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Modell die Daten korrekt beschreibt. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl anderer Modelle, mit denen man den Datenraum modellieren kann, die lineare Regression ist die allereinfachste.

Die Autoren fanden mit Hilfe ihres Modells heraus, dass der Abstand vom Stadtzentrum einhergeht mit einem geringeren Angebotspreis. Gleichzeitig fanden sie heraus, dass der geringere Abstand von einer Windenergieanlage einhergeht mit einem geringeren Angebotspreis. Drittens fanden sie heraus, dass der Abstand von einer Windenergieanlage aber nur dann einen Einfluss auf den Angebotspreis hat, wenn das Haus einen großen Abstand vom nächsten Stadtzentrum hat. Auf die naheliegende Idee, dass der größere Abstand vom Stadtzentrum einhergeht mit einem kleineren Abstand zu einer Windenergieanlage, dass also sowohl günstige Häuser als auch Windenergieanlagen beide in abgelegenen Gegenden stehen, und diese Tatsache entscheidend für den Preis ist, darauf kamen sie nicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein 7%er Einfluss eines Windrades auf den Angebotspreis bei einer Unsicherheit von 30% nicht dazu geeignet ist zu dem Schluss zu kommen, dass sich Häuser in der Nähe eines Windrades schlechter verkaufen.

Weiterhin muss angemerkt werden, dass die o.g. Studie vom eng mit dem Energieunternehmen RWE verflochtenen Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung und dem Hauptautor Manuel Frondel stammt – der Zweck dieses Institutes ist die Unterstützung der Kampagne der Lobbyorganisation „Neue Soziale Marktwirtschaft“ gegen die Energiewende und Manuel Frondel tritt mit schrillen Formulierungen gegen die Förderung der erneuerbaren Energien an die Öffentlichkeit. (4) (5)

Unabhängige Studien

Tatsächlich gibt es eine Vielzahl anderer Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass die Nähe von Windrädern keinerlei Einfluss auf den Immobilienpreis hat:

„…published research has not found strong evidence of any widespread effect for wind power plants…” (6)

“The results of this study do not support the claim that wind turbines affect nearby home prices … The analysis also showed no unique impact on the rate of home sales near wind turbines.” (7)

“Regardless of the possible explanation, if impacts do exist, they are either too small or too infrequent to result in any statistically observable impact among this sample.“ (8)

“The only consistency was that each evaluation methodology found that it was highly unlikely that any type of a causal relationship exists between wind farms and the market values of rural residential real estate.“ (9)

Einflussfaktoren für Immobilienpreise
Abbildung 1: Positive und negative Einflussfaktoren auf Immobilienpreise (10)

„Anhand des Vergleichs der Verkaufswerte in den untersuchten Lagen mit den veröffentlichten Aachener Durchschnittswerten ist keine Einwirkung durch die Windkraftanlagen zu erkennen.“ (11)

„Die vorliegende Studie zur möglichen Wirkung von Windenergieanlagen auf Transaktionspreise von Einfamilienhäusern kommt zum Schluss, dass keine eindeutigen und statistisch signifikanten Effekte festgestellt werden können.“ (12)

Fazit

Die einzige Studie, welche einen Einfluss von Windenergieanlagen auf Immobilienpreise nachzuweisen behauptet, ist eine Auftragsarbeit zur Diskreditierung der Energiewende, außerdem lassen Methodik und Ergebnisse diesen Schluss nicht zu. Sämtliche andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Windenergieanlagen keinen Einfluss auf Immobilienpreise haben.

Quellen

  1. Manuel Frondel, Gerhard Kussel, Stephan Sommer, Colin Vance. Local Cost for Global Benefit: The Case of Wind Turbines. Essen : RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, 1.2019. http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/ruhr-economic-papers/rep_18_791.pdf.
  2. Wikipedia. Multiple lineare Regression. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Multiple_lineare_Regression.
  3. —. Bestimmtheitsmaß. 2020. https://de.wikipedia.org/wiki/Bestimmtheitsma%C3%9F.
  4. Lobbypedia. Kampagne der INSM und des RWI gegen die Förderung des Ökostroms. [Online] : Lobbypedia, 20.12.2019. https://lobbypedia.de/wiki/Kampagne_der_INSM_und_des_RWI_gegen_die_F%C3%B6rderung_des_%C3%96kostroms.
  5. Fell, Hans-Josef. BEE kritisiert die neue Anti-Klimaschutzkampagne der INSM als Sabotage an der Energiewende. [Online] : Hans-Josef Fell, 1.8.2019. https://hans-josef-fell.de/bee-kritisiert-die-neue-anti-klimaschutzkampagne-der-insm/.
  6. O. Edenhofer, R. Pichs-Madruga, Y. Sokona, K. Seyboth, P. Matschoss, S. Kadner, T. Zwickel, P. Eickemeier, G. Hansen, S. Schlömer, C. von Stechow (eds). IPCC Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation. Cambrige : Cambridge University Press, 2011. http://www.ipcc-wg3.de/srren-report/.
  7. Ben Hoen, Jason P. Brown, Thomas Jackson, Ryan Wiser, Mark Thayer and Peter Cappers. A Spatial Hedonic Analysis of the Effects of Wind Energy Facilities on Surrounding Property Values in the United States. [Online] : U.S. Department of Energy , 8.2013. http://emp.lbl.gov/sites/all/files/lbnl-6362e.pdf .
  8. Ben Hoen, Ryan Wiser, Peter Cappers, Mark Thayer, and Gautam Sethi. Wind Energy Facilities and Residential Properties: The Effect of Proximity and View on Sales Prices. [Online] : Journal of Real Estate Research, 2011. https://windfakten.at/mmedia/download/2015.09.07/144163690815289.pdf.
  9. George Canning, L. John Simmons. Wind Energy Study – Effect on Real Estate Values in the Municipality of Chatham-Kent, Ontario. Ottawa : Canadian Wind Energy Association, 4.2.2010. https://windfakten.at/mmedia/download/2015.09.07/1441636879032898.pdf.
  10. Carol Atkinson-Palombo, Ben Hoen. Relationship between Wind Turbines and Residential Property Values in Massachusetts. [Online] : University of Connecticut and Lawrence Berkeley National Laboratory, 9.1.2014. https://windfakten.at/mmedia/download/2015.09.07/1441636366966246.pdf.
  11. Klepel-Heidenthal, Jürgen. Hat der Windpark „Vetschauer Berg“ Auswirkungen auf den Grundstücksmarkt von Wohnimmobilien in den Ortslagen Vetschau und Horbach? . Aachen : Stadt Aachen, Fachbereich Geoinformation und Bodenordnung, 28.06.2011 . https://www.dortmund.de/media/p/stadtplanungs_und_bauordnungsamt/stadtplanung_bauordnung_downloads/stadtplanung_dl/stadtentwicklung/windenergie/Untersuchung_Anlage_Bodenpreise.pdf.
  12. Markus Geissmann, Thomas Volken. Untersuchung der Preiswirkung von Windenergieanlagen auf Einfamilienhäuser. Zürich : Bundesamt für Energie, Kanton Thurgau, 11.10.2019. https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/erneuerbare-energien/windenergie.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvOTg1MA==.html.

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